Eine Reise in die Anden wäre nicht komplett, ohne die Höhe zu spüren. Dennoch geniessen wir die Schönheit von Ecuadors Vulkanen, degustieren exotische Menus und machen einen Abstecher in den Dschungel.
Von Olivia
Quito, fast 3000 Meter über Meer gelegen, und ich fühle mich pudelwohl. «Toll», denke ich, «die Höhe kann mir nichts anhaben.» Und dann, als ich die vielen Treppen in unserem verwinkelten Hostel hochsteige, gerate ich ausser Atem. Also doch: Die Höhe hat mich eingeholt, nachdem wir uns die meiste Zeit der bisherigen Weltreise zwischen dem Meeresspiegel und 600 Höhenmetern bewegt haben. Noch mehr wird mir das klar, als wir mit dem Gondelbähnli (made in France, not Switzerland) auf Quitos Hausberg, den Volcán Pichincha, gondeln und auf 4100 Metern über Meer eine grundsätzlich einfache Wanderung unternehmen wollen. Stets ausser Atem, müssen wir uns ganz langsam fortbewegen und alle paar Minuten pausieren. Dies gibt uns Zeit, die Aussicht auf Ecuadors Hauptstadt zu geniessen, die zwischen zwei Bergketten eingebettet ist und mehr in die Länge als in die Breite wächst. Immerhin haben wir weder Kopfweh noch Übelkeit, doch zurück in Quito unten suchen uns diese Symptome doch noch heim. Dazu gesellt sich ein unbändiger Durst, der erhöhten Flüssigkeitskonsum und entsprechenden Harndrang zur Folge hat. Ja, Höhe live. Und es sollte noch höher werden.
Der Minibus unseres Hostels bahnt sich in einem Gewirr von erstaunlich neuen Autos seinen Weg aus der Stadt in Richtung Vulkan Cotopaxi. Dort lassen wir es uns im Schwesterhostel der Quito-Unterkunft gut gehen. Nach den Wanderungen entspannen wir uns im hosteleigenen Jacuzzi, und für die kalten Nächte auf 3500 Metern können wir den Ofen unseres rustikalen Privathäuschens anfeuern. So ist es denn auch nicht die Kälte, die uns immer wieder nachts aufwachen lässt, sondern – genau – die Höhe. Dies und Tiefschlaf lassen sich bei Höhenungewohnten nicht immer gut vereinbaren.
Etwas verschlafen machen wir uns auf die holprige Fahrt zum teils vereisten Cotopaxi und wandern von 4500 auf 5000 m.ü.M. zum Gletscher hinauf. Ganz schön langsam oder «muy despacio», wie uns Guide Carlos immer wieder ermahnt. Die Sicht auf die vereiste Flanke des Vulkans im gleissenden Sonnenlicht ist eindrücklich, ebenso die weite karge Landschaft viel weiter unten. Es gilt den Moment zu geniessen, denn wenige Minuten später hüllen Wolken den Berg ein. Tschüss Aussicht, hallo Wind und Regen. So schnell kann's gehen.
Meerschweinchen essen am Äquator...
So hoch oben sind wir noch nie zuvor gewesen, ausser natürlich im Flugzeug. Eine Premiere erleben wir auch am Äquator: Während wir ihn schon mehrmals überflogen haben, bietet sich uns erstmals die Gelegenheit, auf dem Breitengrad 00° 00' 00'' zu stehen respektive wie wild zwischen der Nord- und der Südhalbkugel der Welt hin und her zu hüpfen. Gemäss einer Berechnung von französischen Forschern befand sich die Äquatorlinie bis vor wenigen Jahren ein paar hundert Meter weiter hangaufwärts. Doch die US-Armee belehrte die Welt eines Besseren, als sie per GPS die angeblich genauere Lage der Linie herausfand. Etwas blöd, dass am alten Ort bereits ein riesiges Monument für die «Mitte der Welt» errichtet wurde und auch heute noch dort steht. Nun, wir haben so oder so unseren Spass. Zudem staunen wir nicht schlecht, als in einem mobilen Lavabo das abfliessende Wasser in verschiedene Richtungen dreht, je nach dem, auf welcher Seite des Äquators das Lavabo steht. Auf der Linie selbst dreht es überhaupt nicht, sondern fliesst direkt senkrecht ab.
Die «Mitte der Welt» bietet nicht nur geografische Kuriositäten, sondern auch kulinarische. Gleich um die Ecke liegt ein Restaurant, das die traditionelle Speise «cuy», also Meerschweinchen, serviert. Nachdem wir in Nordamerika unter anderem schon Elch, Bär und Rentier degustiert haben, nimmt es uns wunder, wie das mit dem Meersäuli denn so ist. Wer auch immer empört ist über unsere Verspeisung des niedlichen Nagers (und das sind erstaunlicherweise zumeist ausgewiesene Fleischfresser!), dem soll gesagt werden, dass wir immerhin ein Tierli geteilt haben. Und das, obwohl nicht wirklich viel Fleisch am Knochen ist. Doch es schmeckt nicht schlecht, erinnert etwas an Kaninchen und Hühnchen, zudem gilt das fettarme Fleisch hier als gesund. Trotzdem: Das ist eine einmalige Erfahrung für uns – Wiederholung ausgeschlossen (na, sind die Empörten nun besänftigt?).
...und Ameisennester verspeisen im Dschungel
Während ich für eine Weile ausgesorgt habe mit dem Verspeisen exotischer Lebewesen, gibt Rafael noch einen drauf und isst ein ganzes Ameisennest samt Eiern. Ja, wir sind im Dschungel angekommen. Auf einer zweitägigen Tour östlich der Anden durchstreifen wir mit Carlos – dieser Name scheint unter Guides populär zu sein – und unserem deutschen Kollegen Andreas den Dschungel um den Río Pastaza. Wir wühlen uns durchs Dickicht, waten mit den Gummistiefeln durch Schlamm und durchqueren hüfttiefe Bäche. Immer wieder pflückt Carlos irgend etwas Grünes, das für uns jedesmal gleich aussieht, und gibt es uns zur Degustation: anästhesierende Blätter, die man etwa vor Zahnbehandlungen kauen kann, oder eben das Ameisennest in einem zusammengefalteten Blatt. Die Tierchen und ihre Eier sollen sehr nahrhaft sein, aber ich verzichte dankend. Eine andere Stichprobe aus dem wuchernden Grün entpuppt sich als perfektes Material, um sehr stabile Fäden zu spinnen. So einen lasse ich mir als Schmuck ans Handgelenk binden.
Auf der Tour besuchen wir auch eine Auffangstation für Affen – nicht, ohne alle losen Gegenstände und Wertsachen niet- und nagelfest zu machen. Die Äffchen klettern an den Besuchern hoch, sitzen auf deren Schultern und schwingen sich an den Armen der Leute in alle möglichen Richtungen. Und wenn sie nicht gerade mit den Besuchern spielen, dann mit dem Fischotter, der im Bach des Parks lebt. Wer sich jetzt fragt, ob eines der Parktiere auf unserem Teller gelandet ist: Die Antwort ist nein. Es lässt sich weit und breit kein Restaurant finden.
Zum Ausklang des Tages klettern wir auf einen Hügel, wo sich uns eine fantastische Aussicht auf den üppigen Dschungel bietet. Plötzlich reisst die Wolkendecke am Horizont auf, und ein perfekter Vulkankegel mit weisser Spitze erscheint im goldenen Abendlicht. Als wäre die Sicht nicht schon genug atemberaubend, grüsst uns der mächtige Vulkan Sangay mit einer kleinen Eruption aus einem Seitenkrater.
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