Wir wollten Walhaie sehen – davon soll es vor der Küste von Süd-Luzon recht viele geben. Doch die Suche erweist sich schwieriger als erwartet.

Von Rafael

Bleiern spiegelt das Meer die sich nähernde Regenfront, die Wasseroberfläche scheint undurchdringbar wie aus festem Metall, nur die leichten Wellenbewegungen verraten, dass wir uns nicht auf festem Grund bewegen.

Und hier in den Tiefen unter uns soll es leben, ein Ungeheuer wie aus der Urzeit, bis zu 18 Meter lang, 40 Tonnen schwer und bis zu 100 Jahre alt. Wir sind auf der Jagd nach dem Walhai, dem grössten Fisch überhaupt, sie nennen ihn hier Butanding.

Auf und ab vor der Küste gondeln wir auf unserer Bangka (philippinisches Auslegerboot). Ausser uns besteht unsere Jagdgesellschaft aus vier philippinischen Touristen, einem Captain, zwei Spottern und einem BIO, einem WWF-zertifizierten «Butanding Interaction Officer». Ja, sie geizen nicht mit Personal auf den Philippinen, Arbeitskräfte sind billig.

Noch glänzen die winzigen Fischerdörfer und die Abertausenden von Palmen an der Küste im Sonnenlicht. Über allem thront der Vulkan Mount Mayon mit seiner absolut symmetrischen Kegelform, einer der perfektesten Vertreter seiner Zunft. Zugleich ist er aber auch einer der gefährlichsten und explosivsten im Pacific Ring of Fire, einem Vulkangürtel, der sich rund um den Pazifik erstreckt und zu dem auch illustre Namen wie der Fuji in Japan oder der Popocatepetl in Mexiko zählen.

Die Jagd nach dem Walhai erweist sich als zäh, der Mount Mayon hüllt sich in Wolken, der Himmel verfinstert sich, Wind frischt auf. Ausser den höher werdenden Wellen tut sich nichts, absolut nichts auf dem Meer. Lethargie macht sich breit an Bord. Doch da, plötzlich schreit einer der philippinischen Touristen: «Walhai!» Er meint damit aber seinen übergewichtigen Freund vorne auf dem Boot. Das Highlight des Tages. Nach vier Stunden geben wir auf.

Neuer Tag, neues Glück, so schnell geben wir uns dann doch nicht geschlagen. Die philippinischen Touristen sind nicht mehr von der Partie, dafür ein Genfer und drei Amerikaner. Die Jagd erweist sich als kurzweilig, die Gesellschaft ist angenehm, das Wetter gut, nur der Mayon ziert sich, hinter den Wolken hervorzukommen. Ein kurzer Sprung ins Wasser hilft gegen Überhitzung und zu volle Blase.

Nach dem Leerlauf vom Vortag sind meine Erwartungen nicht allzu hoch. Doch dann, unsere Spotter werden unruhig, nicht weit von uns ein Schatten im türkisfarbenen Wasser. Zwei Dreiecke tauchen aus den Fluten auf, eine Rückenflosse und eine Schwanzflosse. Ein Riesending, das muss er sein, der grösste Fisch aller Zeiten, der Butanding, der Walhai.

Sofort werden wir von der kindlichen Euphorie unseres Teams angesteckt. Plötzlich geht alles ganz schnell, wir schneiden dem Riesen den Weg ab. Schnorchel auf, Flossen an, und ab ins Wasser. Ich lasse den andern vom Team den Vorrang und bin deshalb etwas spät im kühlen Nass. Ich sehe nur strampelnde Beine vor mir. Die Sicht im Wasser ist schlecht, doch Oli hat ihn gesehen, zumindest von der Mitte bis zum Schwanz, und das sind doch fünf Meter. Dunkle Haut, helle Punkte, sie hätte ihn berühren können, so nahe war sie dran.

So schnell, wie er erschienen ist, so schnell ist er auch schon wieder verschwunden, abgetaucht in die unendlichen Tiefen. Die dilettantisch zappelnden Wesen vor seiner Nase waren dem sanften Riesen wohl doch etwas zu viel.

Zurück an Bord, alle sind begeistert, die Jagd hat sich gelohnt. Ein paar Sekunden war er in unserer Reichweite, ein paar Sekunden vom grossen Fisch geben der ganzen Suche von fast acht Stunden plötzlich einen Sinn. Erstaunlich, wie glücklich man ist, wenn man ein Ziel erreicht, auch wenn es in keinerlei Relation zum Aufwand steht.

 

Free Joomla Lightbox Gallery

LOGIN