Unser siebter Reisemonat führte uns in Kanadas Provinz British Columbia und das Yukon Territory – mit Abstecher nach Alaska, wobei wir uns da nicht so sicher waren. Und irgendwie verirrten wir uns auch in die Schweiz.

Von Olivia

Mit dem frisch reparierten Auto fuhren wir von Washington State nach Kanada, wo uns um 23 Uhr ein verschlafener Grenzbeamter die Grenze passieren liess. Natürlich erst nach einem nicht enden wollenden Frage-Antwort-Spiel, an das wir uns aber schon längst gewöhnt hatten.

Etwas ungewohnter war das unbemannte Check-in im Hostel von Vancouver. Der bereitgelegte Schlüssel führte uns in ein besetztes Zimmer mit schlafenden Franzosen, die ob unserer Ankunft ganz verstört waren. Nach einigem Herumtelefonieren konnten wir doch noch unser richtiges Zimmer beziehen und uns vom langen Tag erholen.

Vancouver ist eine unserer Lieblingsstädte, vor allem für Rafael, der hier einst ein Jahr lang gelebt hat. Die westkanadische Metropole hat alles, was das Herz begehrt: Strände, Bergen, eine attraktive Innenstadt und zentrale Wohnquartiere, und das alles nur einen Katzensprung voneinander entfernt. Eines sonnigen Sommertages beschlossen wir, den Hausberg Grouse Mountain in Angriff zu nehmen. Und zwar zu Fuss via «Grouse Grind», den drei Kilometer langen, sehr steilen Weg zum Gipfel hinauf. Wer meint, eine gute Kondition zu haben, wird dort eines Besseren belehrt. Dennoch, in 70 Minuten waren wir oben und genossen eine spektakuläre Aussicht auf Vancouver und weiter bis zum mächtigen Mount Rainier in Washington State. Hinunter durften wir nicht mehr zu Fuss, das war verboten aus Sicherheitsgründen – kein Kommentar. So mussten wir uns ein überteuertes Ticket kaufen, um mit der von Garaventa gebauten Luftseilbahn (Schweizer Qualität!) wieder runter nach Nord-Vancouver zu gelangen.

Etwas ausgelaugt, aber guter Laune, trafen wir am Abend vier Kollegen von Rafaels Filmschul-Zeit in Vancouver und hatten es dementsprechend lustig. Das lag aber auch daran, dass die Jungs allesamt einen schrägen Humor hatten. Obwohl ich nicht dabei war, als sie zusammen Ende der 1990-er Jahre das Filmhandwerk lernten, lachte auch ich über ihre Erlebnisse.

Hyder, weder Fisch noch Vogel

Als wir Vancouver nach einigen Tagen verliessen, folgten etwa zwei Wochen, die kaum einer Erwähnung wert sind, da wir relativ sinnlos im Zeug herumfuhren, weitere Autoprobleme hatten und von Regen und Mücken heimgesucht wurden. Ein Highlight war jedoch der Besuch bei Stewart, einem Jäger im Norden von British Columbia, bei dem Rafael vor seinem Vancouver-Jahr ausgeholfen hatte. Stewart war mitten in den Vorbereitungen für die Hochzeit mit einer Indianerin.

Auf der Weiterfahrt machten wir einen lohnenswerten Umweg über die gletscherreiche Strasse nach Stewart (nicht zu verwechseln mit dem Jäger) und dessen Zwillingsdörfchen Hyder. Letzteres liegt bereits auf der anderen Seite der Grenze nach Alaska und ist nur aus Kanada per Land zugänglich. Linienschiffe fahren keine nach dorthin. So ist Hyder der einzige Ort in den USA, in den man ohne jegliche Kontrollen vom Ausland her einreisen kann. Da dort keine 100 Einwohner leben und der nächste Ort in Alaska 200 Kilometer per Boot entfernt liegt, gehen die Kinder praktischerweise in Kanada drüben zur Schule. Zudem stehen Hyders Einwohner im Telefonbuch von Stewart, Kanada, und benützen auch dessen Vorwahl. Die gängige Währung ist nicht der US-Dollar, sondern der kanadische Dollar, und man lebt in der Zeitzone von Kanada und nicht Alaska, das eine Stunde hinterherhinkt. Doch bei aller Anlehnung an Kanada ist das Postbüro überraschenderweise ein waschechtes «United States Post Office», und das erst noch mit einem Bären und einem Elchgeweih davor. Und Hyders Bewohner sind äusserst patriotische Amerikaner.

Jemand von ihnen ist Carly, die Freundin von Shawn aus Kanada drüben. Shawn und Carly eröffneten zwei Wochen vor unserem Besuch in Stewart ein mobiles Bistro, mit dem sie in beiden Grenzorten Shawns Köstlichkeiten verkaufen. Bei der Grenzüberquerung bekommen sie keinerlei Probleme, und sie kennen alle Grenzbeamten beim Namen. Laut Shawn war unser Beamter bei der Wiedereinreise nach Kanada eine besonders harte Knacknuss, doch auch diese fanden wir vergleichsweise human. Mit Shawn und Carly verband uns eine herzliche kulinarische Freundschaft. Einmal brachten wir ihnen Elchsteak vorbei, das wir noch von Stewart (dem Jäger) übrig hatten. Als Dank brutzelte uns Shawn ein Prachtexemplar eines Steinpilzes, das wir auf unserem Campingplatz gejagt hatten.

Am liebsten wären wir länger in Stewart (dem Ort) geblieben, um uns weiterhin von Shawn bekochen zu lassen, doch die Weiterreise nach Norden rief. Noch standen hunderte von Meilen auf dem Stewart-Cassiar-Highway (Nr. 37) bevor, bis wir den berühmten Alaska Highway erreichten. Am 37er gibt es nur ganz wenige Siedlungen, und die sind so klein und in den unendlichen Wäldern verstreut, dass die Bewohner meistens seltsame Eremiten sind. Leider oft von der unfreundlichen Sorte, die die Reisenden als nichtwissende Dummköpfe betrachten und nicht etwa als Gäste, die ein bisschen Einkommen in die Käffer bringen.

Schweizer Invasion im Yukon

Kaum hatten wir British Columbia und den Highway 37 verlassen, wurde es mit dem Alaska Highway und dem Yukon Territory wieder ansprechender. Erst besuchten wir in Watson Lake den legendären Schilderwald, der 1942 gegründet wurde und seither fast 70'000 Schilder aus aller Welt umfasst. Uns erstaunte unter anderem die Dichte an Schweizer Schildern. Später, in der Yukon-Hauptstadt Whitehorse, wurde uns der Grund dafür klar: Schweizer, wohin man schaute und hörte. In und um den 20'000-Seelen-Ort trafen wir wohl mehr Landsleute als Kanadier. Ob das am Direktflug von Zürich nach Whitehorse lag?

Die Region bietet allerdings auch viel für aktive Reisende, denn Whitehorse ist ein idealer Ausgangspunkt für Paddeln auf dem Yukon River. Harteier können per Kanu oder Kayak in etwa 16 Tagen die 742 Kilometer nach Dawson City paddeln, oder in 8 Tagen ins 320 Kilometer entfernte Carmacks. Wir entschieden uns für die dreitägige «Schnellbleiche» um Whitehorse herum. Tagsüber kayakten wir vier bis fünf Stunden und campierten nachts in der Wildnis draussen. Das Wetter spielte ideal mit, erwischten wir doch genau die drei sonnigen Tage zwischen zwei Regenfronten. Bevor wir das Yukon Territory in Richtung Skagway (Alaska) verliessen, logierten wir zum Abschluss auf einem wunderbaren Campingplatz, betrieben von – wie könnte es anders sein – Schweizern.

 

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